Hintergründe erkennen und den Blick auf die Menschen richten
Politische Fragestunde zum Nahost-Konflikt am Berufskolleg Dinslaken
Von Gabriele Fengels
presse@bkdin.de
Seit dem Angriff der Hamas auf israelische Zivilisten im Oktober ist der Nahost-Konflikt wieder in vollem Gange. Er betrifft nicht nur die Menschen vor Ort. An einer Bündelschule wie dem Berufskolleg Dinslaken, in dem Menschen verschiedener Kulturkreise und Religionen miteinander lernen und gestalten, hat die Auseinandersetzung mit diesem Konflikt eine besondere Wichtigkeit, aber auch eine besondere Brisanz.
Das an der Schule bewährte Format der „politischen Fragestunde“ mit einem Rahmenprogramm aus Musik und Kunst setzte sich daher in seiner neuen Ausgabe am 14. Dezember zum Ziel, fundierte Informationen zur aktuellen Situation sowie zur Historie des Konfliktes zu vermitteln und damit dem Einfluss einer häufig in den sozialen Medien verbreiteten hochemotionalen Polarisierung entgegenzuwirken. Dazu hatten die beteiligten Klassen vor der Veranstaltung Fragen auf Karten geschrieben, die Politiklehrer und Nahost-Experte Markus Wolf nach dem Zufallsprinzip aus einem Korb ziehen und spontan beantworten sollte.
Das Rahmenprogramm – koordiniert vom Initiator und Kulturbeauftragten Stefan Braemer-Jostes – wurde von Schülerinnen und Schülern gestaltet. Alina Jühlke und Sven Böttcher führten durch das Programm, Friederike Krieg stimmte mit ihrem zarten Klavierspiel auf die Thematik ein, auf der Bühne bildeten kunstvoll emotional gestaltete Stelen eine beeindruckende Kulisse.
In sehr eindringlichen Worten regte Schulleiter Florian Eckert die Schülerinnen und Schüler zum Auftakt an, ein Gedankenexperiment zu wagen. „Stellen Sie sich vor, wir befänden uns mit unserem Nachbarland, den Niederlanden, in einem jahrzehntelang währenden Konflikt und müssten erleben, wie unsere Familie von Milizen verschleppt, gefangen genommen, getötet wird.“ Dann ein weiteres Szenario, eine andere Perspektive: „Stellen Sie sich nun auch vor, Sie müssten Ihren Heimatort Dinslaken verlassen und in einer anderen Region Deutschlands Zuflucht finden“. Der Appell des Schulleiters: Den Blick auf die Menschen beider Seiten richten und sich informieren, was genau los ist – auch wenn wir nicht unmittelbar betroffen sind. Den Krieg in all seinen Dimensionen zu verstehen und Fragen zu beantworten, ist nicht leicht.
Dass es dabei zunächst nicht um Bewertungen gehen darf, sondern um Fakten, das zeigte Politiklehrer Markus Wolf noch einmal deutlich auf, bevor es in die Fragerunde ging. Eine eigene Meinung können wir erst dann bilden und äußern, wenn wir uns auf fundierte Quellen berufen können – nicht auf Tendenzen, Schätzungen und Behauptungen vermeintlich seriöser sozialer Medien und Nachrichtendienste. Immer wieder betonte Markus Wolf diesen so wichtigen Leitgedanken.
„Was ist eigentlich die Hamas?“, „Was war Grund, was der Auslöser für den Krieg?“ – Fragen, die die Schüler sichtlich bewegen, deren Beantwortung, so wurde schnell deutlich, vor allem den Blick in die historischen Zusammenhänge erfordern. So holte Markus Wolf in der nötigen Tiefe weit aus mit seinen Erklärungen, ohne dabei den Bezug zur Erfahrungswelt der Jugendlichen zu verlieren.
Am Beispiel der Frage „Wieviel Menschen wurden bisher getötet?“ zeigte der Politiklehrer auf, wie wenig verlässlich das nicht verifizierte Zahlenmaterial oder gar grobe Schätzungen sind, die immer wieder von unseriösen Medien wirkungsvoll im Sinne einer einseitigen Ideologie als Fakten präsentiert werden.
Mit den Klängen des Songs „Astronaut“ von Sido und Andreas Bourani endete die Veranstaltung sinnträchtig: „Fast acht Milliarden Menschen, doch die Menschlichkeit fehlt. Von hier oben macht das alles plötzlich gar nichts mehr aus. Von hier sieht man keine Grenzen und die Farbe der Haut.“
Fen, 12/23