125 Jahre Berufskolleg Dinslaken

BKDIN_Plane1_18_72125 Jahre, eine Schule, ein Film und eine Feier (I)

Dinslaken, Oktober 2017. Seit 125 Jahren gibt es eine Berufliche Schule in Dinslaken. Am 3. August 1892 wurde die damalige „Fortbildungsschule“ eröffnet. Sie bestand aus einer Klasse von 41 Pflichtschülern und 6 freiwilligen Schülern. Unterrichtszeiten waren von sonntags zwischen 7 und 9 Uhr sowie zwischen 16 und 18 Uhr und mittwochs zwischen 19 und 21 Uhr. Die Schulpflicht begann nach Eintritt in die gewerbliche Beschäftigung. Ende der Schulpflicht war bei Ablauf des Halbjahres, in dem der Schüler das 17. Lebensjahr vollendet hat.

In der Folge entstanden auch in Walsum (1906) und in Hiesfeld (1907) Fortbildungsschulen.

Der Unterricht fand in Gaststätten und Baracken statt, erst 1927 wird ein eigener Neubau an der Wiesenstraße in Dinslaken mit 10 Klassenräumen bezogen. Ab 1937 lag das berufliche Bildungswesen zentral in der Verantwortung des Kreises Dinslaken, Lehrerinnen und Lehrer wurden Beschäftigte des Kreises, die Verantwortung für die Gebäude lag aber bei den Städten und Gemeinden.

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Pogrome

Nach der Nacht der reichsweiten Pogrome am 9.11.1938 wurden in Dinslaken am 10.11.1938 auch Gräueltaten verübt. Der ehemalige Lehrer und spätere Leiter der Fortbildungsschule (bis 1927) Leopold Strauß (1861-1939) wurde eines der vielen Opfer. SA-Männer kamen am 10. November in sein Haus auf der Duisburger Str. 100 und schlugen das Mobiliar kaputt. Danach kamen Dinslakener Berufsschüler, die dafür eigens vom Unterricht freigestellt wurden und setzten die Zerstörung fort. Bei der Aktion wurde Leopold Strauß verletzt und starb im folgenden Jahr an den Spätfolgen. Schulleiter war Erich Hildebrand, dem später in zwei Gerichtsprozessen vorgeworfen wurde, diese Pogrome auch in seiner Funktion als Schulleiter unterstützt zu haben.

Schlimme Kriegseinwirkungen

Während des Krieges wurden einige Klassen im Rahmen der „Kinderlandverschickung“ in die Tschechoslowakei verlegt.

Die Schulgebäude wurden während des Krieges sehr mitgenommen und teilweise ausgeplündert. Im Dezember 1945 wurde der Unterricht dezentral wieder aufgenommen. Es fehlten 60 % der erforderlichen Lehrkräfte.

Neubauten und neue Namen

Gebäude Wiesenstraße BKDIN_1954_B_72

1954 wird ein neues Gebäude an der Wiesenstraße bezogen. Die Schülerzahl stieg auf 3.652 und die Schule erhielt den Namen „Georg-Kerschensteiner-Schule“. Ein zweiter Bauabschnitt mit Räumen für die kaufmännische Ausbildung und mit Werkstätten wird 1960 fertig gestellt. 1963 wird der Bau der Dreifachsporthalle an der Douvermannstraße beschlossen.

BKDIN_Gebäude der Kaufm. Abteilung 1954_b_15_72

1967 wird die bisherige kaufmännische Abteilung eine eigenständige Schule, sie erhält den Namen „Kaufmännischen Schulen des Landkreises Dinslaken“. 1972 bezieht sie ihr eigenes Schulgebäude an der Konrad-Adenauer-Straße. 1976 wird im Rahmen der kommunalen Neuordnung der Kreis Wesel neu gebildet und die beiden beruflichen Schulen werden zu einem Bündelsystem zusammengelegt. Das neue Schulsystem erhält den Namen „Berufliche Schulen des Kreises Wesel in Dinslaken“. 1998 werden alle berufsbildenden Schulen in NRW „Berufskollegs“. Der Name der Schule lautet seitdem „Berufskolleg Dinslaken“.

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Neubau der Kaufm. Abteilung an der Konrad-Adenauer-Straße 1972

Wechselvolle Schulgeschichte

Überblickt man die wechselvolle Schulgeschichte, so sieht man, wie aus bescheidenen Anfängen ein flexibles Bildungssystem entstanden ist, das immer wieder auf die gesellschaftlichen Entwicklungen reagieren musste. Ging es zunächst darum, jungen Erwerbstätigen zusätzliche Grundkenntnisse und Allgemeinbildung zu vermitteln, so wurden daraus später Fachklassen im dualen System, die den Lernenden die wesentlichen theoretischen Kenntnisse für das Bestehen ihrer Berufsabschlussprüfung vermittelten. Wurden nicht genügend Ausbildungsplätze durch die Wirtschaft angeboten, wurden im Berufskolleg zusätzliche Ausbildungsgänge zur Erlangung eines Berufsabschlusses eingerichtet und dann wieder geschlossen, wenn der Bedarf gedeckt war.

Heute: Vielfältiges Bildungsangebot

Mittlerweile bietet das Berufskolleg eine Vielzahl von Bildungsgängen an, in denen Schul- und Berufsabschlüsse erworben werden können. Hier kann man Hauptschulabschlüsse nachholen, den Mittleren Schulabschluss und die Fachhochschulreife erwerben und die drei Beruflichen Gymnasien bieten – mit Abschlussprüfungen in den beruflichen Leistungskursen – auch die Allgemeine Hochschulreife an. Außerdem wird die Ausbildung zur/zum Sozialassistentin/-en und zum/zur Kinderpfleger/-in angeboten. In der Fachschule für Erzieher/-innen können der Berufsabschluss „Staatl. anerk. Erzieher/-in“ und die Fachhochschulreife erworben werden.

Ausbildungszahlen im dualen System sinken

Bedauert wird allseits, dass die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge im Einzugsbereich immer weiter zurückgeht. Dadurch sinken auch die Schülerzahlen in den Fachklassen und einige mussten schon geschlossen werden. Die Auszubildenden aus unserer Region müssen dann Berufskollegs in anderen Städten aufsuchen, was mit längeren Fahrtzeiten verbunden ist und damit sinkt das Interesse an diesen Ausbildungsberufen zusätzlich.

Enge Vernetzung mit der Praxis

Das Berufskolleg Dinslaken ist sehr an der engen Verzahnung mit der Praxis interessiert. In nahezu allen Bildungsgängen sind Praktika integriert und es gibt einen regen Austausch mit den europäischen Nachbarländern. Zur Berufswahlvorbereitung findet jährlich eine Job-Börse statt, etliche Ausbildungsbetriebe helfen bei der Gestaltung von Bewerbungsunterlagen oder bei der Vorbereitung auf das Vorstellungsgespräch. Unternehmer/-innen berichten im Rahmen der bundesweiten Gründerwoche über die von ihnen gegründeten oder übernommenen Unternehmen. Zahlreiche Betriebsbesichtigungen – auch im Freizeitbereich – erweitern die Übersicht über die Arbeitsplatzsituation in unserer Region und das Verständnis für die wirtschaftliche Tätigkeit.

Sport und Kultur kommen nicht zu kurz

Dabei kommen der Sport und das Kulturelle nicht zu kurz: Samstags wird für die Schulmannschaften trainiert, meistens stehen sie bei den städtischen oder kreisweiten Wettbewerben auf dem Siegertreppchen. Etliche Angebote gibt es in Form von Arbeitsgemeinschaften im Freizeitbereich. Bereits als 5-jährige Tradition gibt es einen Vocal-Workshop, der zum Ende des Schuljahres im Tonstudio eine CD aufnimmt. Seit 15 Jahren gibt es einen Schülerkulturtag: das „BK Sommer Spezial“. Einerseits präsentieren Schülerinnen und Schüler ihre Projekte sowie kulturelle und spielerische Aktionen. Andererseits werden Schülerinnen und Schüler für ihr kulturelles oder soziales Engagement geehrt. Jedes Jahr anders und jedes Jahr gut.

Gesellschaftspolitische Verantwortung

Doch im Berufskolleg Dinslaken wird auch die gesellschaftspolitische Verantwortung groß geschrieben.

Seit Jahren engagiert sich das Berufskolleg – abwechselnd mit den städtischen Schulen – bei der Gestaltung der jährlichen Gedenkveranstaltung zu den Pogromen am Leiterwagen-Mahnmal am Kreisverkehr vor der Stadthalle.

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Schriftinstallation an der Fassade des Berufskollegs-Gebäudes an der Wiesenstraße zur Erinnerung an die Pogrome in 1938

Eine Leopold-Strauß-AG erinnert mit Aktionen an die schlimmen Taten ehemaliger Berufsschüler in 1938, die in Folge zu dessen Tod führten, und übernahm die Patenschaft für einen Stolperstein vor dessen ehemaliger Wohnung in der Duisburger Straße. > Stolperstein

Bereits seit 1979 haben die Schülerinnen und Schüler der Höheren Handelsschul-Klassen Patenschaften für Kinder aus der Dritten und Vierten Welt übernommen. Mit jährlichen Sammlungen finanzieren sie jeweils den Schulbesuch eines Kindes und erhalten darüber Entwicklungsberichte. Weitere Patenschaften haben die Spanischkurse des Wirtschaftsgymnasiums und die Abiturienten der Beruflichen Gymnasien übernommen. Die Organisatorinnen wurden kürzlich von dem Botschafter Honduras dafür ausgezeichnet.

Die Fairtrade-AG versucht den Schülerinnen und Schülern Beispiele für verantwortungsbewussten Einkauf zu vermitteln. Ein anderes Team organisiert Blutspende-Termine und Typisierungsaktionen in der Schule; dank ihres Engagements konnten bereits vier Personen gefunden werden, die mit ihrer Knochenmarkspende einem Kranken das Leben gerettet haben.

Wichtiger Arbeitgeber in der Stadt

Das Berufskolleg ist ein wichtiger Arbeitgeber in der Stadt Dinslaken. Etwa 170 Lehrerinnen und Lehrer unterrichten am Berufskolleg, weitere Arbeitsplätze gibt es im Verwaltungsbereich, im Bereich der Sozialarbeit und in den Bistros.